Ein „Nomaden-Pavillon“ aus alten Skiern

Werden Ingenieure in Zukunft mit gebrauchten Materialien arbeiten? Forscher versuchten diese Frage zu beantworten, indem sie aus über 200 gebrauchten Skiern einen leicht ab- und wieder aufbaubaren Pavillon bauten.

Gibt es einen Mittelweg zwischen der Entwicklung von neuem Material und dessen Recycling? Die Wiederverwendung!  Die Idee hinter diesem etwas verrückten Projekt, das vom smart living lab in Freiburg entwickelt wurde, ist es, in der Mülltonne zu stöbern, um darin womöglich die Antwort auf nachhaltiges Bauen in der Zukunft zu finden. In diesem Sinne sammelten die Forscher hunderte gebrauchter Skier und nutzten deren mechanische Eigenschaften, um einen verlegbaren Pavillon zu bauen.

„Wenn man von nachhaltiger Technologie im Baugewerbe spricht, denkt man an Isolierung, an geringeren Energieverbrauch, an Werkstoffe, man spricht von Recycling und biologischem Abbau, präzisiert Corentin Fivet, Leiter des Structural Xploration Labor (SXL), doch recyclen ist teuer und biologischer Abbau nicht immer möglich. Eine andere Möglichkeit, Material zu sparen und weniger Energie zu verbrauchen, ist die Wiederverwendung von unveränderten Materialien.“

Diese Möglichkeit wird allerdings bisher noch wenig genutzt und muss besser erforscht werden, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich umsetzbar ist. Sie kann mit anderen Trends in Verbindung gebracht werden, wie der Vorfertigung oder der „Nomaden-Architektur“, die Trägersysteme nutzen, die dazu gedacht sind, einige Male auf-und abgebaut zu werden. „In unserem Labor interessieren wir uns vor allem für die Trägersysteme des Gebäudes, die zusammen mit dem Fundament und dem Dach den meisten Abfall produzieren.“

Elastic gridshell, eine netzförmige Hülle
Nachdem sich einige Ideen als wenig fruchtbar erwiesen hatten, darunter eine Konstruktion aus Angelruten, die neben ihren mechanischen Eigenschaften Beschaffungsprobleme mit sich brachten, fiel die Wahl auf Skier. Wie viele andere Sportartikel haben Skier einen hohen technologischen Wert. Corentin Fivet findet: „Obgleich sie als Abfall gelten, bleiben sie das Resultat fortlaufender technischer Verbesserungen und haben ein zweites Leben verdient“.

Ein Teil der Forschung diente dazu, sicherzustellen, dass der Ski seiner neuen strukturellen Rolle gewachsen ist. Er muss in eine Richtung biegsam und in die andere steif sein, den erforderlichen Belastungen standhalten und sich diese Eigenschaften auch langfristig bewahren können.

„Wir haben alle Skiarten getestet, Abfahrt, Slalom, Langlauf und Freeride und ihnen jeweils einen ihren Eigenschaften entsprechenden strategischen Platz im Pavillon zugewiesen. Dabei fiel auf, dass sich ein Ski aus Hightech Material für den Bau solcher Strukturen fast besser eignet als das üblicherweise verwendete Holz“, erklärt Sofia Colabella.  

Sofia Colabella ist Spezialistin für elastic gridshell, ein Drahtgeflecht, das weich ist wie ein Metallnetz und eine harte Schale bildet, wenn es fixiert wird. Entscheidend ist dabei die Auslegung der Elemente. Es handelt sich um ein Geflecht von Elementen, die in zwei Richtungen anordnet werden und ein Netz aus biegbaren Rechtecken bilden.  

Dieses Gitter wird zunächst flach ausgelegt und anschliessend gebogen, wobei die elastische Verformbarkeit der Module genutzt wird, um die Extremitäten einander anzunähern. Wenn die endgültige Wölbung erreicht ist, wird das geometrische Gebilde mit anderen Elementen verbunden, die punktuell diagonal angebracht werden, wodurch es an Stabilität gewinnt und seine besondere Härte entwickelt. Unter anderem bietet es die Möglichkeit, mit kleinen Elementen und ohne komplexes Werkzeug oder Verschalung eine grosse Reichweite abzudecken.

Der Pavillon wird diesen Sommer in Lyon aufgestellt
210 Skier wurden für den Bau des mit 300 Bolzen befestigten Nomaden-Pavillons benötigt. Nur etwa 100 Bolzen reichen für den Auf- und Abbau aus. Das Projekt, das von der Biennale de l’architecture de Lyon ausgewählt wurde, kann ab kommenden Juni bestaunt werden. Die Forscher hoffen, ihren Pavillon während der Veranstaltung an verschiedenen bekannten Orten der Stadt mehrmals auf- und abbauen zu können.

„Es geht uns nicht darum, künftig Gebäude aus Skiern zu errichten, sondern aufzuzeigen, dass unkontrollierte und unkontrollierbare Elemente wiederverwendet werden können, ohne dabei an ihrer Sicherheit oder ihrer Qualität zweifeln zu müssen. Es ist eine Übung, eine Demonstration, die zeigt, dass sich in diesem noch wenig erforschten Bereich interessante Dinge machen lassen“, so Corentin Fivet.

Corentin Fivet (project investigator), Sofia Colabella (gridshell designer and worksite manager), Bernardino D'Amico (engineering consultant), Claude-Alain Jacot (construction), Jan Brütting (construction), Valeria Didonna (construction), Endrit Hoxha (Life-cycle analysis)

http://www.gridshell.it/

http://www.biennalearchitecturelyon.com/

http://sxl.epfl.ch