Rechtliche Aspekte der digitalen Modellierung von Bauwerken (BIM)

Mithilfe von Software kann jedes Gebäude von den Wänden bis zu den Türklinken modelliert werden. Die Möglichkeit, alle diese Informationen zusammenzustellen und so detailgenau wie nie zuvor zu analysieren, wirft eine Vielzahl juristischer Fragen auf.

BIM (Building Information Modelling) ist die Abkürzung für die neuen Computertechniken, die es ermöglichen, jedes beliebige, bereits gebaute oder künftige Bauwerk detailgenau und vollständig zu modellieren. Die Software ist heute nicht nur in der Lage, die Bauwerke mit allen ihren technischen Daten virtuell in drei Dimensionen abzubilden, sondern erlaubt auch die Darstellung verschiedener Ebenen (Fundament, Wände, Sanitäreinrichtungen, Stromkreislauf usw.) und einzelner Komponenten (von der Bedachung bis hin zu den Nägeln). Durch die Möglichkeit, eine Menge an Informationen zu registrieren und auszutauschen und auf einer einzigen gemeinsamen Plattform zu arbeiten, ergeben sich in verschiedenen Rechtsgebieten neue Fragen. Das Institut für Schweizerisches und internationales Baurecht an der Universität Freiburg hat die Absicht, diese Fragestellungen zu erforschen und erste Antworten zu geben.

Alle Informationen sammeln
Die BIM-Methode wird in der Schweiz immer häufiger angewandt. Ursprünglich wurde sie von der Autoindustrie entwickelt, um künftige Fahrzeuge oder Maschinen zu simulieren. Seit etwa fünfzehn Jahren kommt die hochentwickelte Software in den USA bei der Planung, der Simulation und dem Test von Gebäuden zum Einsatz, von der Baustelle über die Betriebsphase bis hin zum Abriss. Sie bietet zahlreiche Vorteile: „Es mag überraschend erscheinen, doch viele Unstimmigkeiten treten erst dann auf, wenn der Bau in vollem Gange ist! Das liegt daran, dass beim Entwurf und bei der Planung eines Bauwerks verschiedene Experten mitwirken und dass es mit den traditionellen Instrumenten schwierig ist, die verschiedenen Beiträge vollständig zu koordinieren. So bleiben oft einige Unvereinbarkeiten bestehen, die später teuer werden können.“, erklärt Martin Beyeler, Professor am Institut für Baurecht und am smart living lab. Mit der BIM-Methode hingegen können alle Informationen zu einem Projekt gebündelt, modelliert und analysiert werden, um kritische Punkte und Unvereinbarkeiten zu erkennen. Dadurch lässt es sich umfassender und verlässlicher planen. Ausserdem bietet die detaillierte Simulation der digitalen Modelle die Möglichkeit, andere Varianten ohne grossen Aufwand zu untersuchen, indem alternative Strategien und Komponenten getestet werden. Erst optimieren, dann umsetzen, so lautet das Motto dieser neuen Methode, bei der dank frühzeitiger Zusammenführung aller relevanter Informationen besser gelungene, nachhaltigere, effizientere und günstigere Lösungen gefunden werden können, was erhebliche positive Auswirkungen auf den Energiebereich und auf die Umwelt haben kann.

Juristische Fragen im Brennpunkt
Die BIM-Methode bringt neue Praktiken und Abläufe mit sich, die die Juristen antizipieren wollen, um rechtliche Antworten auf mögliche Probleme und potentielle Streitpunkte geben zu können. Die Informatisierung eines Bauprojekts wirkt sich auf das Vertragsrecht aus. „Das Vertragsgeflecht eines Bauprojekts ist ein wahrhaftiges Labyrinth bilateraler Verträge. Die BIM-Methode verlangt aber nach einer gewissen Vereinheitlichung aller Abläufe. Des weiteren verschwinden einige traditionelle Aufgaben der Akteure, andere ändern sich durch den Einsatz der Informatik, und wieder andere sind ganz neu, wie die Integration von Informationen auf einer gemeinsamen virtuellen Plattform. Diese Veränderungen werden sich vermutlich auf die Zuständigkeiten und auf die Frage der Vergütung auswirken.“, erklärt Martin Beyeler. Wer hat welchen Anspruch auf die in den BIM-Modellen zusammengetragenen Daten? Welche Informationen sollten vertraulich behandelt werden, und wie können solche Informationen vor Eindringlingen oder Hackern geschützt werden? Und wie kann verhindert werden, dass eine Innovationen kopiert oder geklaut werden?

Eine BIM-Baubewilligung?
Derzeit ist die Gesetzeslage so, dass zweidimensionale Pläne auf Papier (oder als Computerdatei) vorgelegt werden müssen, um eine Baubewilligung zu erhalten. „Baugesuche, die in Form eines BIM-Modells eingereicht würden, könnten das Verfahren jedoch enorm beschleunigen. Das BIM-Modell würde die Konformitätsprüfung des Projekts erleichtern und eine präzisere Auswertung ermöglichen. Die Bearbeitung der Gesuche könnte so beschleunigt werden!“, erklärt Martin Beyeler. Das ist heute noch nicht möglich, da zuerst die Gesetzgebung angepasst werden muss. Dabei müssen nicht nur Form und Inhalt der einzureichenden Modelle behandelt werden, sondern auch die öffentliche Auflage und Fragen des Datenschutzes, „denn im Vergleich zu Plänen auf Papier kann ein digitales Modell viel mehr Informationen beinhalten, die leicht kopiert und offengelegt werden können.“

Auch der Staat ist betroffen
Der Forscher kommt zum Schluss, dass der Staat trotz der Bindungen des öffentlichen Vergaberechts ebenso wie Privatpersonen berechtigt ist, in seinen Projekten (und während des Ausschreibungsverfahrens) die BIM-Methode zu verwenden. Aufgrund des Diskriminierungsverbots darf der Staat allerdings nicht ohne triftigen Grund eine bestimmte Software vorschreiben, da dies die Wirtschaftsakteure, die mit einer anderen Software arbeiten, benachteiligen würde. Ein ähnliches Risiko der Diskriminierung entsteht, wenn ein Bauprojekt mit einem BIM-Modell ausgeschrieben wird, das bereits Elemente enthält, die bestimmten Produkten entsprechen. „Dies ist nach dem öffentlichen Vergaberecht verboten.“, bemerkt Martin Beyeler.

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