Architektonische Qualität und gemeinsame Erstellung von Gebäuden

Die Qualität der Architektur ist ein facettenreiches Prinzip, das die Nutzer bei der Gebäudeplanung in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt. Diese Perspektive ermöglicht neue Ansätze für den Prozess der Gebäudefertigung.

Das Konzept der architektonischen Qualität eines Gebäudes bedeutet, dass die Nutzer in den Vordergrund der künftigen Gebäude gerückt werden. Es beinhaltet verschiedene Aspekte, wie Bau, Technik, Energie und Umwelt, das heisst all das, was mit dem Gebäude als physischem Objekt und mit seiner Leistung zu tun hat (Isolierung, passive Strategien, Lüftung, usw.). Die funktionelle Dimension – der Umlauf im und um das Gebäude, die Organisation und die Funktion der Räume sowie die individuelle Gestaltung der Räumlichkeiten in Anpassung an die künftigen Nutzer, die Dimension der Teams und der technischen Ausstattung - ist ebenfalls von grosser Bedeutung. Auch die Integration des Gebäudes in ein Stadtgefüge und in einen bestimmten klimatischen Kontext wird mit berücksichtigt. Die finanziellen Beschränkungen bei der Gebäudefertigstellung aber auch bei seinem Betrieb sind entscheidende Parameter. Und schliesslich sind die ästhetischen Dimensionen wichtig (alles, was wahrnehmbar ist und dem Gebäude eine Stimmung verleiht, vom Licht bis zu den verwendeten Materialien). All diese Dimensionen sind unabhängig und vielleicht sogar widersprüchlich, und genau an der Stelle muss man den richtigen Kompromiss finden,“ erklärt Florinel Radu, Professor an der HEIA-FR und Leiter des TRANSFORM-Instituts, das sich am smart living lab beteiligt.

Die Nutzer an erster Stelle
Ein Grossteil oder gar die Gesamtheit der Aspekte, die das Konzept der architektonischen Qualität umfasst, wirkt sich auf die Nutzer aus. Die Subjektivität spielt eine grosse Rolle, da die Vorstellungen der Nutzer, ihre Wertesysteme und ihre persönlichen Empfindungen mit einbezogen werden. Florinel Radu notierte die verschiedenen Protagonisten, ihre Interessen und Einschränkungen in Bezug auf ein Bauprojekt, in diesem Fall das künftige smart living building des smart living lab, um das Wohlbefinden der Mehrheit der Nutzer sicherzustellen und zumutbare Kompromisse für die anderen zu finden. Dieser Schritt ist wichtig, um ein Verfahren zu erarbeiten, das zu einem gelungenen Kompromiss zwischen einer Vielzahl von  Akteuren und den zahlreichen Herausforderungen beim Bau eines modernen und architektonisch hochwertigen Gebäudes führt. „Ziel des Projekts ist es, einen idealen Ablauf zu skizzieren(Formulierung der Zielsetzungen, zeitliche Einteilung, Identifizieren der Methodik, Tools, Akteure und Ressourcen), von der Planung bis zum Bau des smart living building und einschliesslich der anschliessenden Betriebsphase,“ sagt Florinel Radu.

Gestaltung einer idealen Zusammenarbeit
Es zeigte sich schnell, dass die Kommunikation und die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure auf allen Ebenen die grösste Herausforderung beim Bau eines Gebäudes darstellt, bei dem maximal viele Interessen und Beschränkungen zu berücksichtigen sind.
Im klassischen Fall wird das Gebäudeprojekt ausgeschrieben. Man definiert vorab ein Pflichtenheft, und die konkurrierenden Teams arbeiten jeweils für sich, ohne sich über die Ausschreibung auszutauschen. Florinel Radu und sein Team dachten sich einen neuen Gestaltungsprozess aus. Sie hatten die Idee, dass das Pflichtenheft, das den Start des Arbeitsverfahrens begleitet, interaktiv sein könnte. Auf diese Weise könnten die beteiligten Teams und die künftigen Nutzer Verbesserungsvorschläge machen. Ausserdem würden die Teams nicht gegeneinander sondern eher miteinander arbeiten. Dann gäbe es einige Treffen und Plenarsitzungen, bei denen die Projekte bewertet würden, bevor die endgültige Entscheidung gefällt würde. Während des Wettbewerbs stünden die Forscher des smart living lab den Teams durchweg für einen Austausch zur Verfügung. Das ausgewählte Projekt wäre das Ergebnis kollektiver Intelligenz. „Es ist ein grossangelegter gemeinsamer Gestaltungsprozess. Wir haben sehr hohe Erwartungen an das smart living building. Das bedeutet, dass wir auch unsere Arbeitsmethoden innovativer gestalten müssen, um diesen Anforderungen gerecht werden zu können!“, folgert Florinel Radu.

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