Komfort versus Gebäudetechnologie? Die künftigen Nutzer mit einbeziehen!

Der Energieverbrauch der einzelnen Nutzer eines Gebäudes kann überraschend unterschiedlich sein. Und auch der Vergleich des Energieverbrauchs verschiedener Gebäude weist grosse Unterschiede auf. Sind diese Unterschiede auf die Gebäude oder auf ihre Nutzer zurückzuführen? 

Wird mehr Energie von den Gebäuden oder von ihren Nutzern verbraucht? Ein europäisches Projekt, an dem sich die Schweiz beteiligt, stellt die Bewohner eines Gebäudes in den Mittelpunkt und ermutigt sie dazu, ihr Verhalten zu überdenken, um ihren Energieverbrauch einzuschränken. Das Projekt THE4BEES umfasst sieben Pilotstandorte in Europa. Die Blaue Halle, in der das smart living lab vorläufig untergebracht ist, gehört zu diesen Teststandorten. Eine aktuelle Strategie zielt darauf ab, durch die Automatisierung von Gebäuden Energie zu sparen. Die Blaue Halle ist da keine Ausnahme. Allerdings wurde beobachtet, dass Nutzer, denen man die Kontrolle über die Bedienung von Lichtschaltern und Fensteröffnungen entzieht, alternative Strategien entwickeln, um den Komfortverlust auszugleichen, die manchmal schädlicher sind, als wenn sie direkt selbständig die Temperatur regulieren und die Fenster öffnen könnten... Was wäre, wenn die Nutzer selbst mitentscheiden könnten, bevor das Gebäude gebaut wird?

Ein einmaliger Kooperationsprozess
Das Projekt THE4BEES wählte einen partizipativen Ansatz, um mehr über die Praktiken und Bedürfnisse der Nutzer zu erfahren: Die Nutzer eines bestehenden oder künftigen Gebäudes sollen „erforscht“ werden. Da das smart living lab sein eigenes Gebäude errichten wird und die meisten Mitarbeiter und Forscher bereits angestellt sind, bot sich die einmalige Chance, eine Grosszahl der künftigen Gebäudebewohner vor Baubeginn vereint zu haben.“, erzählt
Jean-Philippe Bacher, Professor an der HEIA-FR und Leiter des ENERGY Instituts, das am smart living lab mitwirkt. Als Verantwortlicher des Schweizer Projektteils rief er mehrere Mitglieder des smart living lab zu einem Gespräch über mögliche Verbesserungen an den aktuellen aber provisorischen Räumlichkeiten (die Blaue Halle, Pilotstandort) und über das künftige Gebäude, das smart living building, zusammen. Es hat viele Vorteile, bereits in den ersten Phasen der Gebäudeplanung die künftigen Nutzer mit einzubinden. „Die Betroffenen können ihre Bedürfnisse darlegen, über ihr Konsumverhalten nachdenken und ihre Wünsche bezüglich des künftigen Gebäudes äussern. Ausserdem kann man von ihnen viel über gute und schlechte Praktiken im Bereich der Architektur lernen, denn sie haben sie selbst erlebt!“

Massgefertigte Tools entwickeln
Ein solch partizipativer Ansatz hilft uns zu verstehen, warum die Nutzer manchmal zu viel Energie verbrauchen (z.B.: keine natürliche Lüftung, weshalb das Fenster ständig offen ist, während die Heizung auf Hochtouren läuft), aber auch gemeinsam darüber nachzudenken, wie der Konsum reguliert werden kann. Dank der Digitalisierung ist es möglich, den Verbrauch jedes Nutzers in Echtzeit zu erfahren. “Verschiedene Forschungen zeigten, dass die unmittelbare Kenntnis über den eigenen Energieverbrauch über längere Zeit gesehen wenig Vorteile bringt. Daher baten wir die Nutzer sich mit uns zusammen Tools auszudenken, die sie dazu anhalten könnten, ihren Konsum zu optimieren.“, erklärt Jean-Philippe Bacher. Licht, Farben, Geräusche und die Art der Interaktion zwischen Mensch und Maschine werden untersucht, um auf konstruktive Art Alarm zu schlagen. Messstab, Zähler, Vergleicher, Herausforderungen und Teamwettbewerbe stehen auf dem Programm. Darüber hinaus hat dieser partizipative Ansatz den Vorteil, dass die Tools, die sich die künftigen Nutzer ausgedacht haben, sicher problemlos akzeptiert werden. Und dass „die Nutzer, die sie entworfen haben, in technischer Hinsicht leicht damit umgehen können, denn die Technologie macht vielen Angst!“ erklärt Jean-Philippe Bacher. Wenn die Idee für die Tools entstanden ist, werden sie entwickelt und von den Nutzern getestet. Nach dieser Testphase können sie noch verbessert und schliesslich validiert werden. Die Wirkung der digitalen Tools auf die Verhaltensweisen wird gemessen und ausgewertet. Diese Daten dienen der staatlichen Politik als Orientierungshilfe, zumal die Ergebnisse der verschiedenen Standorte miteinander verglichen werden. „Ein schlecht geplantes Gebäude führt zu einem überhöhten Energieverbrauch, selbst wenn die Nutzer guten Willens sind und insbesondere, wenn ihr Wohlbefinden auf dem Spiel steht. Obwohl das bis Dezember 2018 angesetzte Projekt noch lange nicht abgeschlossen ist, sind wir bereits jetzt davon überzeugt, dass die Technologie nicht Vorrang vor dem Nutzerkomfort haben sollte. Vielmehr sollte sie den Nutzern dabei helfen, die Kontrolle über ihre Umwelt und ihren Energieverbrauch zu haben.“, meint Jean-Philippe Bacher.

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